Krisen in der Pflegefamilie: Wann Unterstützung notwendig wird

Pflegeeltern sitzen erschöpft auf dem Sofa, während das Pflegekind im Hintergrund auf dem Teppich mit Stiften malt.

Pflegefamilien sind ein Ort der Stabilität, der Heilung und der neuen Chancen. Doch sie sind auch ein Ort, an dem es knirscht, kracht oder zeitweise nicht mehr weitergeht. Denn Pflegekinder bringen oft belastende Erfahrungen mit, die sich nicht einfach abstellen lassen – und Pflegeeltern sind Menschen mit Grenzen, Sorgen und Erschöpfung. Konflikte, Überforderung oder sogar die Frage nach einer Rückführung sind keine Zeichen des Scheiterns, sondern Ausdruck einer komplexen Realität. In diesem Artikel zeigen wir, wie Pflegefamilien gut durch schwierige Phasen kommen – und warum rechtzeitige Hilfe entscheidend ist.

Warum Krisen zum Pflegeverhältnis dazugehören

Pflegekinder kommen mit einer Vorgeschichte in ihre neue Familie. Diese Geschichte endet nicht mit dem Einzug – im Gegenteil: Sie wirkt weiter. Oft zeigen Kinder erst nach Wochen oder Monaten, wie tief die Verletzungen sitzen. Vertrauen wächst langsam, Loyalitätskonflikte brechen auf, Verhaltensauffälligkeiten treten verstärkt zutage. Das kann überfordern, frustrieren oder Angst machen.

Krisen gehören zur Realität von Pflegeverhältnissen. Sie bedeuten nicht, dass Pflegeeltern versagt haben – sondern dass sie sich auf einen herausfordernden, aber wertvollen Weg eingelassen haben. Wer das versteht, kann mit mehr Selbstmitgefühl reagieren und frühzeitig Entlastung suchen.

Zudem ist es wichtig zu erkennen, dass jede Familie individuelle Stärken, Grenzen und Ressourcen hat. Eine Krise bedeutet nicht zwangsläufig ein Versagen des Systems, sondern ist oft ein Weckruf: Es braucht jetzt eine Kurskorrektur, eine neue Perspektive oder einfach jemanden, der zuhört. Besonders bei langanhaltendem Stress ohne Ausgleich ist die Gefahr groß, dass sich Schwierigkeiten verfestigen und zu einer chronischen Belastung werden.

Typische Krisenphasen – und ihre Ursachen

Nicht jede Krise ist gleich. Manche beginnen schleichend, andere brechen plötzlich aus. Zu den häufigsten Krisenmomenten zählen:

  • Eingewöhnung: Das Kind zeigt auffälliges Verhalten, testet Grenzen oder zieht sich zurück.
  • Schulprobleme: Leistungsdruck, Ausgrenzung oder emotionale Überforderung können eskalieren.
  • Herkunftskontakte: Besuchskontakte mit leiblichen Eltern aktivieren alte Wunden.
  • Pubertät: Identitätsfragen, Loyalitätskonflikte und Autonomiebedürfnisse spitzen sich zu.
  • Familiäre Überforderung: Pflegeeltern fühlen sich erschöpft, unverstanden oder allein.

In jeder dieser Phasen können Unsicherheiten entstehen: Bin ich noch die richtige Bezugsperson? Wie weit darf das Verhalten gehen? Wo endet Erziehung – wo beginnt Schutz? Diese Fragen brauchen Raum und professionelle Begleitung.

Darüber hinaus spielen auch äußere Faktoren eine Rolle: finanzielle Belastungen, Wohnsituation, fehlende Rückzugsräume oder auch mangelnde Unterstützung im sozialen Umfeld. Wenn z. B. Schulen oder Kitas kein Verständnis für das Verhalten des Kindes aufbringen, kann das die Situation zusätzlich verschärfen. Auch das Fehlen eines stabilen Netzwerks aus Freunden oder Familie kann eine Krise beschleunigen.

Erste Warnsignale erkennen – und ernst nehmen

Krisen kündigen sich oft an. Häufige Warnsignale sind:

  • Pflegeeltern haben das Gefühl, „nur noch zu funktionieren“.
  • Das Pflegekind zieht sich zunehmend zurück oder verhält sich aggressiv.
  • Alltagsabläufe geraten durcheinander, Konflikte häufen sich.
  • Es entsteht ein Gefühl der Isolation oder Scham.

Wer frühzeitig hinschaut, kann gegensteuern. Wichtig ist: Diese Signale nicht zu bagatellisieren oder aus Angst zu verdrängen. Niemand muss stark sein um jeden Preis – Hilfe zu suchen ist Ausdruck von Verantwortung, nicht von Schwäche.

Ein weiteres häufiges Warnsignal ist der Rückzug eines oder mehrerer Familienmitglieder aus dem Familienleben. Wenn gemeinsame Mahlzeiten, Gespräche oder Rituale zunehmend vermieden werden, kann das auf eine tieferliegende Belastung hinweisen. Auch psychosomatische Beschwerden wie Schlafprobleme, Kopf- oder Bauchschmerzen bei Kindern oder Erwachsenen sollten ernst genommen und als mögliche Ausdrucksformen innerer Anspannung betrachtet werden.

Unterstützungsmöglichkeiten in der Jugendhilfe

Pflegeeltern stehen nicht allein da. Die Jugendhilfe bietet ein breites Netz an Unterstützung:

  • Fachberatung: Regelmäßige Gespräche mit erfahrenen Fachkräften können entlasten und Perspektiven eröffnen.
  • Supervision: Ein geschützter Raum, um Gefühle, Konflikte und Entscheidungen zu reflektieren.
  • Entlastungsangebote: Kurzzeitpflege, Familienentlastung oder Alltagshilfen schaffen Freiräume.
  • Therapeutische Hilfen: Für das Kind, die Pflegeeltern oder die Familie gemeinsam.
  • Austauschgruppen: Der Kontakt zu anderen Pflegefamilien wirkt oft stärkend und normalisierend.

Als Träger empfehlen wir: Wartet nicht, bis es „brennt“. Wer frühzeitig Unterstützung annimmt, kann Eskalationen oft vermeiden – und bleibt handlungsfähig.

Zusätzlich gibt es spezielle Beratungsstellen für traumatisierte Kinder, Familienzentren oder heilpädagogische Angebote. Auch Online-Beratungen und digitale Selbsthilfe-Formate werden zunehmend genutzt und können niedrigschwellig erste Orientierung geben. Die wichtigste Voraussetzung ist, dass Pflegeeltern sich trauen, ihre Sorgen zu benennen – ohne Angst vor Bewertung oder Konsequenzen.

Wenn Rückführung oder Beendigungen im Raum stehen

Manche Krisen sind so massiv, dass die Pflegefamilie an ihre Grenzen kommt. In wenigen Fällen steht die Frage einer Rückführung oder Beendigung des Pflegeverhältnisses im Raum. Das ist ein schwerer Moment – für alle Beteiligten.

Wichtig ist in solchen Situationen:

  • Nicht vorschnell handeln. Entscheidungen über Beendigungen brauchen Zeit, Austausch und gründliche Abwägung.
  • Schuldzuweisungen vermeiden. Rückführungen sind keine Niederlage, sondern manchmal ein notwendiger Schritt.
  • Kinder kindgerecht einbeziehen. Sie brauchen Erklärungen, Sicherheit und emotionale Begleitung.
  • Nachsorge sichern. Auch nach einer Trennung bleibt das Erlebte bedeutsam – für das Kind und die Pflegefamilie.

Unser Ziel als Träger ist es, Pflegeverhältnisse langfristig zu sichern. Wenn das nicht möglich ist, begleiten wir Übergänge mit Sorgfalt, Transparenz und Respekt.

Besonders bei älteren Kindern oder Jugendlichen, die bereits mehrere Beziehungsabbrüche erlebt haben, ist es wichtig, Übergänge gut zu begleiten und keine unüberlegten Entscheidungen zu treffen. Auch die Herkunftsfamilie sollte, wenn möglich, einbezogen werden – insbesondere dann, wenn eine Rückführung in Betracht gezogen wird. Denn nur wenn alle Beteiligten sich gesehen und gehört fühlen, kann eine Lösung gefunden werden, die dem Wohl des Kindes dient.

Selbstfürsorge der Pflegeeltern als Schlüssel

Pflegeeltern sind oft sehr engagiert, leidensfähig und belastbar. Doch wer ständig gibt, ohne selbst aufzutanken, riskiert Überforderung und Erschöpfung. Gerade in Krisenzeiten ist Selbstfürsorge keine Nebensache – sie ist zentral.

Dazu gehören:

  • Eigene Bedürfnisse wahrnehmen und ernst nehmen
  • Regelmäßige Pausen, auch kurze Auszeiten im Alltag
  • Gespräche mit vertrauten Personen oder Fachkräften
  • Akzeptanz eigener Grenzen
  • Hobbys und soziale Kontakte pflegen

Pflegeeltern dürfen sich fragen: „Was hilft mir, in meiner Kraft zu bleiben?“ Wer gut für sich sorgt, kann auch gut für andere da sein.

Selbstfürsorge bedeutet auch, sich die Erlaubnis zu geben, nicht perfekt sein zu müssen. Niemand kann immer stark, ruhig und gelassen sein – besonders nicht unter Dauerbelastung. Sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen, kleine Auszeiten zu schaffen und sich auch mal Hilfe im Alltag zu holen (z. B. durch Großeltern, Nachbarn oder Betreuungspersonen), sind wichtige Schritte, um langfristig handlungsfähig zu bleiben.

Kommunikation im Familiensystem stärken

Krisen belasten nicht nur die Beziehung zum Pflegekind, sondern das gesamte Familiensystem. Eigene Kinder, Partner, Großeltern – alle sind mitbetroffen. Deshalb ist es wichtig, offen über Gefühle, Belastungen und Grenzen zu sprechen.

Einige bewährte Ansätze:

  • Familiengespräche in geschützter Atmosphäre
  • Klare Absprachen über Rollen und Zuständigkeiten
  • Ehrliche Worte über Unsicherheiten oder Überforderung
  • Gemeinsame Rituale zur Stärkung des Zusammenhalts

Auch externe Unterstützung (z. B. systemische Beratung) kann helfen, Spannungen zu lösen und den Blick für Stärken zu schärfen.

Kommunikation bedeutet aber auch, zuzuhören – gerade Kindern und Jugendlichen, deren Verhalten vielleicht schwierig, aber Ausdruck eines inneren Konflikts ist. Wer nicht nur auf das „Was“, sondern auf das „Warum“ achtet, kann neue Zugänge finden. Wenn Kinder sich verstanden fühlen, lässt auch die Spannung im Alltag oft nach.

Stabilität durch gemeinsame Rituale schaffen

Rituale geben Halt, besonders in unruhigen Zeiten. Gemeinsame Rituale – ob das Abendessen am Tisch, die Gute-Nacht-Geschichte oder der Sonntagsspaziergang – vermitteln Sicherheit und Verlässlichkeit. Sie schaffen Momente der Nähe und der Orientierung.

In Krisensituationen können Rituale dabei helfen, emotionale Verbindung aufrechtzuerhalten, auch wenn es Spannungen gibt. Sie geben Struktur, wo der Alltag aus den Fugen zu geraten droht. Pflegeeltern sollten bewusst kleine Inseln im Tagesablauf schaffen, die unabhängig vom Konflikt bestehen bleiben. Diese Konstanz kann dem Kind signalisieren: Unsere Beziehung bleibt – auch wenn es schwer ist.

Fachliche Weiterbildung als präventive Maßnahme

Wissen stärkt. Pflegeeltern, die sich regelmäßig fortbilden, fühlen sich sicherer im Umgang mit schwierigen Situationen. Themen wie Bindung und Trauma, Deeskalation, Kommunikation oder rechtliche Grundlagen können neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Viele Jugendhilfeträger bieten entsprechende Fortbildungen oder Online-Seminare an.

Wer in schwierigen Situationen über ein gewisses Hintergrundwissen verfügt, kann ruhiger reagieren und fühlt sich nicht ausgeliefert. Fortbildungen ermöglichen außerdem den Austausch mit anderen Pflegeeltern und eröffnen neue Perspektiven. Sie sind ein wichtiger Baustein, um Krisen vorzubeugen – oder sie besser zu bewältigen.

Fazit: Krisen bewältigen – nicht allein, sondern gemeinsam

Pflegeverhältnisse können herausfordernd sein. Und manchmal kommt alles zusammen: Stress, Unsicherheit, Konflikte. Doch Krisen sind kein Zeichen von Scheitern – sie gehören dazu. Wichtig ist, sie früh zu erkennen, ernst zu nehmen und sich Unterstützung zu holen.

Wer offen bleibt, für sich sorgt, Hilfe annimmt und das Familiensystem stärkt, kann auch schwierige Zeiten überstehen – und daran wachsen. Es braucht Mut, Geduld und Begleitung. Aber der Weg lohnt sich – für das Kind und für die ganze Familie.

Als Träger stehen wir Pflegefamilien auch in Krisenzeiten mit Erfahrung, Fachlichkeit und Herz zur Seite. Gemeinsam finden wir Wege – auch dann, wenn es schwer wird.

Die nächsten Schritte

Wenn wir Ihr Interesse geweckt haben und Sie sich vorstellen können, einem Pflegekind ein neues zuhause zu geben,
nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Schreiben Sie uns eine E-Mail: bewerbung@lebensraeume-fh.de
Danach vereinbaren wir einen unverbindlichen Telefontermin. Hier stehen wir Ihnen für alle individuellen Fragen zur Verfügung.

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