Pflegekinder mit FASD: Herausforderungen verstehen – Sicherheit geben

FASD Pflegekind

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Pflegekinder mit FASD stellen besondere Anforderungen an ihr Umfeld. Hinter der Abkürzung FASD (Fetale Alkoholspektrum-Störung) verbirgt sich eine unsichtbare Behinderung, die das Leben von betroffenen Kindern – und ihren Bezugspersonen – tiefgreifend beeinflusst. FASD ist die Folge von Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft und führt zu dauerhaften Schädigungen des zentralen Nervensystems. Viele betroffene Kinder landen – bewusst oder unbewusst – im System der Jugendhilfe und finden dort ein neues Zuhause bei Pflegeeltern.

In diesem Blogartikel geben wir als erfahrener Jugendhilfe-Träger einen fundierten Überblick über das Thema FASD, beleuchten die Herausforderungen im Pflegealltag und zeigen auf, wie Pflegeeltern Kinder mit FASD liebevoll, strukturiert und langfristig begleiten können.

Was ist FASD?

FASD steht für „Fetale Alkoholspektrum-Störung“ – ein Sammelbegriff für Schädigungen, die durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft verursacht werden. Alkohol gelangt ungefiltert über die Plazenta in den Blutkreislauf des ungeborenen Kindes. Bereits geringe Mengen können das sich entwickelnde Gehirn dauerhaft beeinträchtigen.

FASD ist nicht heilbar. Es handelt sich um eine lebenslange Beeinträchtigung mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Zu den häufigsten Folgen zählen Konzentrationsstörungen, Impulsivität, Lernprobleme, schlechte Frustrationstoleranz, emotionale Dysregulation und Schwierigkeiten mit Zeit- oder Sozialverhalten. Manche Kinder haben zusätzlich körperliche Auffälligkeiten oder Entwicklungsverzögerungen.

Warum FASD in Pflegefamilien häufig vorkommt

Viele Pflegekinder kommen aus belasteten Herkunftsfamilien – mit Erfahrungen von Vernachlässigung, Sucht, Gewalt oder psychischer Erkrankung. Alkoholkonsum in der Schwangerschaft ist in diesen Kontexten keine Seltenheit. Studien zeigen, dass bis zu 70 % der Kinder mit FASD in Pflege- oder Adoptivfamilien leben.

Die Diagnose FASD wird allerdings oft spät gestellt oder gar nicht erkannt. Viele betroffene Kinder erhalten andere Diagnosen wie ADHS, Lernbehinderung oder Bindungsstörung. Erst im Verlauf der Pflege zeigt sich das typische Muster – und damit der Verdacht auf FASD. Pflegeeltern sind häufig die Ersten, die Auffälligkeiten benennen und eine Abklärung anstoßen.

Woran erkenne ich FASD bei meinem Pflegekind?

FASD ist nicht immer sofort sichtbar. Es gibt verschiedene Schweregrade – vom „klassischen“ fetalen Alkoholsyndrom (FAS) mit sichtbaren körperlichen Merkmalen bis zur FASD ohne äußere Auffälligkeiten (z. B. PFAS oder ARND).

Typische Merkmale im Verhalten sind:

  • große Probleme mit Alltagsstrukturen
  • ständiges Vergessen von Regeln oder Abläufen
  • Impulsivität und geringe Frustrationstoleranz
  • Schwierigkeiten mit Ursache-Wirkung-Zusammenhängen
  • scheinbar „widersprüchliches“ Verhalten
  • Probleme in der sozialen Interaktion

Pflegeeltern berichten oft, dass „nichts hängen bleibt“, das Kind „ständig überfordert“ wirkt oder emotionale Ausbrüche ohne erkennbaren Anlass auftreten. Wichtig ist: FASD ist keine Frage von „Wollen“, sondern von „Können“ – betroffene Kinder haben echte Einschränkungen in der Verarbeitung und Steuerung von Reizen und Verhalten.

Was bedeutet FASD für den Alltag in der Pflegefamilie?

Der Alltag mit einem Kind mit FASD verlangt Struktur, Geduld und Flexibilität. Klassische Erziehungsstrategien greifen oft nicht oder verschärfen die Situation. Konsequenzen, die auf Einsicht oder Erinnerung basieren, können das Kind überfordern. Stattdessen braucht es:

  • klare, wiederkehrende Strukturen
  • einfache Sprache und kurze Anweisungen
  • viele Wiederholungen ohne Vorwurf
  • visuelle Unterstützung (Pläne, Symbole)
  • vorausschauendes Handeln (z. B. Vermeidung von Reizüberflutung)
  • Verständnis für Rückschritte

Pflegeeltern müssen lernen, die Maßstäbe zu verändern. Was bei anderen Kindern selbstverständlich funktioniert, muss bei FASD-Kindern neu gedacht werden. Erfolg bedeutet oft: ein ruhiger Morgen, ein gelungener Ausflug, ein konfliktfreier Abend.

Schule und Lernen mit FASD

Kinder mit FASD haben meist große Schwierigkeiten im schulischen Bereich. Sie lernen langsamer, vergessen schnell und sind leicht ablenkbar. Häufig fehlt ihnen das Gefühl für Zeit, Reihenfolge oder Mengen. Zudem reagieren sie empfindlich auf Kritik oder Überforderung.

Pflegeeltern sollten eng mit der Schule zusammenarbeiten – und frühzeitig auf Nachteilsausgleiche, Schulbegleitung oder sonderpädagogische Förderung hinwirken. Wichtig ist eine gute Kommunikation mit Lehrern, Aufklärung über die Diagnose und das Einfordern individueller Unterstützung.

Manche Kinder profitieren von kleinen Klassen, strukturierter Umgebung oder spezialisierter Förderung. Auch der Wechsel auf eine Förderschule kann entlastend sein – nicht als „Abschieben“, sondern als passender Lernort.

Emotionale Belastung für Pflegeeltern

Die Begleitung eines Kindes mit FASD kann anstrengend und erschöpfend sein. Viele Pflegeeltern berichten von ständiger Alarmbereitschaft, sozialer Isolation, Unverständnis im Umfeld und Selbstzweifeln. Wenn das Umfeld das Verhalten des Kindes falsch interpretiert („Der ist einfach schlecht erzogen“) steigt der Druck zusätzlich.

Deshalb ist Selbstfürsorge zentral: Pflegeeltern müssen ihre eigenen Grenzen kennen, sich Unterstützung holen und für Entlastung sorgen. Austausch mit anderen betroffenen Familien, Beratung, Supervision und ggf. therapeutische Begleitung helfen, langfristig stabil zu bleiben.

Wir als Träger bieten regelmäßig Gruppen, Fortbildungen und Einzelfallberatung zum Thema FASD an. Niemand muss diese Herausforderung allein bewältigen.

Was Pflegeeltern Kindern mit FASD geben können

Kinder mit FASD brauchen nicht perfekte Pflegeeltern – sie brauchen verlässliche Bezugspersonen mit realistischen Erwartungen. Pflegeeltern können viel bewirken, wenn sie:

  • Sicherheit, Struktur und Verlässlichkeit geben
  • nicht werten, sondern verstehen
  • Verhalten nicht persönlich nehmen
  • kleine Fortschritte feiern
  • mit dem Kind statt gegen das Verhalten arbeiten
  • sich selbst nicht aufopfern

Viele Kinder mit FASD entwickeln sich erstaunlich, wenn sie die richtige Umgebung, passende Förderung und wertschätzende Begleitung bekommen. Das gelingt nicht über Nacht – aber es lohnt sich.

Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten

Pflegefamilien mit einem FASD-Kind haben Anspruch auf Unterstützung – z. B.:

  • heilpädagogische Leistungen
  • Schulbegleitung oder Integrationshilfe
  • sozialpädagogische Familienhilfe
  • Reha-Maßnahmen oder Spezialkliniken

Die Beantragung ist manchmal komplex – aber lohnend. Wir begleiten Familien bei Anträgen, Gesprächen mit dem Jugendamt und der Suche nach geeigneten Therapie- oder Förderstellen. Auch Fortbildungen für Fachkräfte sind ein wichtiger Teil unserer Arbeit, um das System FASD-kompetenter zu machen.

Blick in die Zukunft: Perspektiven für junge Menschen mit FASD

FASD begleitet betroffene Menschen ein Leben lang – aber das bedeutet nicht, dass sie keine Perspektiven haben. Mit der richtigen Unterstützung können viele Jugendliche Wege in betreutes Wohnen, geschützte Arbeitsplätze oder individuelle Berufslösungen finden.

Pflegeeltern spielen dabei eine wichtige Rolle – als Unterstützer, Wegbegleiter und Brückenbauer. Je früher ein realistisches Bild von den Möglichkeiten und Grenzen entsteht, desto besser können Übergänge vorbereitet werden. Auch nach der Jugendhilfe ist Begleitung möglich – etwa durch rechtliche Betreuung, ambulante Hilfen oder inklusive Wohnformen.

Was das Umfeld wissen sollte – Aufklärung schafft Verständnis

Pflegeeltern von Kindern mit FASD berichten häufig davon, dass sie im Alltag auf Unverständnis stoßen. Lehrkräfte, Nachbarn, Verwandte oder sogar medizinisches Fachpersonal interpretieren das Verhalten des Kindes oft als Erziehungsproblem oder als Ausdruck von mangelnder Konsequenz. Hier braucht es mehr Aufklärung: FASD ist eine unsichtbare Behinderung – mit sichtbaren Folgen. Wer versteht, wie das Gehirn eines Kindes mit FASD funktioniert, kann viel besser unterstützen und entlasten.

Ein offenes Gespräch mit der Schule, ein Infoabend in der Kita oder das Verteilen von Informationsmaterialien können kleine, aber wirksame Schritte sein. Auch wir als Träger bieten auf Anfrage Elternabende, Fachvorträge oder Teamfortbildungen an. Ziel ist es, einen Raum zu schaffen, in dem nicht bewertet, sondern verstanden wird. Denn nur wer das Warum versteht, kann das Verhalten neu einordnen – und entsprechend begleiten

Fazit: Pflegekinder mit FASD brauchen besondere Menschen

Ein Pflegekind mit FASD zu begleiten, ist herausfordernd – aber auch zutiefst sinnstiftend. Es braucht Geduld, Wissen, Humor und viel Herz. Pflegeeltern, die sich dieser Aufgabe stellen, leisten einen unschätzbaren Beitrag für das Leben dieser Kinder.

Wir als Jugendhilfe-Träger stehen an ihrer Seite – mit Fachlichkeit, Erfahrung und echtem Respekt. Für Kinder, die anders lernen, anders fühlen, aber genauso viel wert sind.

Die nächsten Schritte

Wenn wir Ihr Interesse geweckt haben und Sie sich vorstellen können, einem Pflegekind ein neues zuhause zu geben,
nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Schreiben Sie uns eine E-Mail: bewerbung@lebensraeume-fh.de
Danach vereinbaren wir einen unverbindlichen Telefontermin. Hier stehen wir Ihnen für alle individuellen Fragen zur Verfügung.

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