Die Rolle der eigenen Kinder in einer Pflegefamilie

Die Rolle der eigenen Kinder in einer Pflegefamilie

Pflegefamilie zu sein bedeutet, einem Kind in Not einen sicheren Ort zu bieten. Doch wenn Pflegeeltern bereits eigene Kinder haben, wird die Situation komplexer. Die Rolle der leiblichen Kinder in einer Pflegefamilie wird häufig unterschätzt – dabei sind sie aktiv und emotional in das Pflegeverhältnis eingebunden. Sie teilen ihr Zuhause, ihre Eltern, ihre Zeit – oft mit einem Kind, das besondere Bedürfnisse mitbringt. Damit daraus eine Chance für alle wird, braucht es Aufmerksamkeit, Offenheit und klare Strukturen.
In diesem Artikel beleuchten wir aus Sicht eines Jugendhilfe-Trägers die Herausforderungen, Bedürfnisse und Chancen, die sich für eigene Kinder in Pflegefamilien ergeben – und wie Pflegeeltern alle Kinder im Familiensystem gut begleiten können.

Eigene Kinder – oft stille Mitträger

Wenn ein Pflegekind in die Familie aufgenommen wird, verändert sich für die leiblichen Kinder alles. Plötzlich teilen sie Aufmerksamkeit, Zeit, Räume und Zuwendung. Während das Pflegekind im Mittelpunkt fachlicher und emotionaler Aufmerksamkeit steht, fühlen sich eigene Kinder manchmal zurückgesetzt – oder übernehmen unbewusst zu viel Verantwortung.
Viele leibliche Kinder empfinden die Aufnahme eines Pflegekindes als spannende, aber auch anstrengende Erfahrung. Je nach Alter, Persönlichkeit und Familiendynamik reagieren sie unterschiedlich: mit Neugier, Rückzug, Eifersucht oder Verantwortungsbewusstsein. Wichtig ist, ihre Rolle nicht zu übersehen, sondern aktiv in die Prozesse einzubeziehen.

Vorbereitung ist der Schlüssel

Die Entscheidung, Pflegefamilie zu werden, sollte gemeinsam mit den eigenen Kindern getroffen werden – altersgerecht und ehrlich. Kinder brauchen Informationen, Raum für Fragen und die Möglichkeit, ihre Gefühle zu äußern. Eltern sollten deutlich machen, dass die Familie ein Pflegekind aufnimmt, das vielleicht andere Regeln, Bedürfnisse oder Erfahrungen mitbringt.
Kindgerechte Erklärungen helfen, Verständnis zu fördern. Wichtig ist dabei, keine überhöhten Erwartungen zu wecken. Das Pflegekind kommt nicht als „Spielkamerad“, sondern als Mensch mit einer besonderen Geschichte. Frühzeitige Einbindung in Gespräche, Vorbereitungsseminare oder Treffen mit anderen Pflegefamilien kann helfen, Sicherheit zu geben.

Eifersucht und Loyalitätskonflikte erkennen

Eifersucht ist eine natürliche Reaktion, wenn die Eltern plötzlich einem anderen Kind besonders viel Aufmerksamkeit schenken. Pflegekinder haben oft einen hohen Bedarf an Nähe, Struktur und Betreuung. Das kann eigene Kinder überfordern – vor allem, wenn sie sich vernachlässigt oder weniger wichtig fühlen.
Manche Kinder entwickeln auch Loyalitätskonflikte: Sie wollen „brav“ sein, um die Eltern zu entlasten, oder verdrängen eigene Gefühle. Andere zeigen offen Ablehnung oder Widerstand. Solche Reaktionen sind verständlich und dürfen benannt werden. Pflegeeltern sollten ihren leiblichen Kindern signalisieren: „Deine Gefühle sind genauso wichtig. Du darfst sagen, was dich stört.“

Exklusive Zeit mit den eigenen Kindern

Ein wichtiger Schutzfaktor ist die bewusste, ungeteilte Zeit mit den eigenen Kindern. Pflegeeltern sollten regelmäßig Momente schaffen, in denen das leibliche Kind im Mittelpunkt steht – sei es durch einen Spaziergang, ein Spiel, ein gemeinsames Hobby oder ein Gespräch vor dem Einschlafen.
Diese Exklusivzeiten müssen nicht lang sein – aber sie sollten verlässlich sein. Sie zeigen dem leiblichen Kind: „Ich sehe dich. Du bist mir genauso wichtig.“ Das hilft, Bindung zu stärken und Eifersucht oder Rückzug vorzubeugen. Auch kleine Rituale im Alltag – z. B. ein bestimmter Wochentag oder eine „Eltern-Kind-Zeit“ – können helfen.

Offenheit über Herausforderungen und Belastungen

Das Leben mit einem Pflegekind bringt oft Unruhe, Konflikte oder emotionale Belastung. Eigene Kinder spüren das – auch wenn nicht offen darüber gesprochen wird. Deshalb ist es wichtig, ehrlich über Schwierigkeiten zu sprechen, ohne das Pflegekind zu bewerten oder negativ darzustellen.
Pflegeeltern dürfen und sollen mit ihren leiblichen Kindern über ihre Gefühle sprechen: „Es ist okay, wenn du manchmal wütend oder traurig bist. Ich bin auch manchmal erschöpft. Wir schaffen das gemeinsam.“ Diese Haltung schafft ein Klima des Vertrauens und entlastet Kinder, die sich sonst allein fühlen könnten mit ihren Gedanken.

Verantwortung begrenzen

Eigene Kinder geraten leicht in die Rolle der „kleinen Helfer“: Sie passen auf, vermitteln, trösten oder erklären. Das ist nicht grundsätzlich problematisch – solange es freiwillig, altersgerecht und begrenzt geschieht. Problematisch wird es, wenn Kinder dauerhaft Verantwortung übernehmen, die sie überfordert.
Pflegeeltern müssen aktiv darauf achten, dass ihre Kinder Kinder bleiben dürfen. Sie sind keine Co-Erzieher oder Therapeuten. Es ist nicht ihre Aufgabe, emotionale Stabilität für das Pflegekind zu sichern. Hier braucht es klare Abgrenzung, Entlastung und ggf. auch externe Unterstützung, wenn die Dynamik zu kippen droht.

Eigene Kinder stärken – durch Beteiligung und Lob

Leibliche Kinder leisten oft still einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Pflegeverhältnisses. Es ist wichtig, diese Leistung anzuerkennen: durch ehrliches Lob, durch Beteiligung an Entscheidungen und durch das Gefühl, Teil eines wichtigen Projekts zu sein.
Pflegeeltern können z. B. bei Hilfeplangesprächen berichten, wie wertvoll das Verständnis oder die Geduld des leiblichen Kindes war. Auch kleine Anerkennungen im Alltag („Ich bin stolz, wie du heute reagiert hast“) stärken das Selbstwertgefühl und fördern das Gefühl von Wirksamkeit.

Professionelle Unterstützung nutzen

Wenn eigene Kinder besonders belastet sind, z. B. durch Rückzug, Leistungsabfall in der Schule oder körperliche Beschwerden, sollten Pflegeeltern dies ernst nehmen. Fachliche Unterstützung – z. B. durch Familienberatung, Kinderpsychologen oder Träger-Fachberatung – kann helfen, Dynamiken zu klären und Kinder zu entlasten.
Auch der Austausch mit anderen leiblichen Kindern aus Pflegefamilien (z. B. in Gruppenangeboten) ist eine wertvolle Ressource. Hier erleben Kinder: „Ich bin nicht allein mit meinen Fragen und Gefühlen.“ Als Träger vermitteln wir bei Bedarf passende Angebot

Langfristige Entwicklung: Was eigene Kinder gewinnen können

Trotz aller Herausforderungen berichten viele Pflegefamilien, dass ihre leiblichen Kinder durch das Pflegeverhältnis enorm gewachsen sind. Sie lernen, empathisch zu sein, Unterschiede zu respektieren, mit Konflikten umzugehen und Verantwortung zu übernehmen.
Solche Erfahrungen prägen. Eigene Kinder entwickeln oft ein starkes soziales Bewusstsein, emotionale Reife und ein gutes Gespür für andere Menschen. Pflegeeltern können diese Entwicklung unterstützen, indem sie immer wieder spiegeln, was ihre Kinder gelernt, geschafft oder ermöglicht haben.

Fazit: Alle Kinder im Blick behalten

Pflegefamilie zu sein bedeutet nicht nur, einem Kind zu helfen – sondern ein Familiensystem zu gestalten, in dem alle Kinder ihren Platz haben. Eigene Kinder sind dabei keine „Statisten“, sondern Mitgestaltende. Sie brauchen Aufmerksamkeit, Wertschätzung und den sicheren Raum, sich zu äußern und sich entwickeln zu dürfen.
Wir als Jugendhilfe-Träger ermutigen Pflegeeltern, bewusst auf die Bedürfnisse ihrer leiblichen Kinder zu achten – und begleiten sie dabei mit Beratung, Austausch und konkreten Unterstützungsangeboten.

Die nächsten Schritte

Wenn wir Ihr Interesse geweckt haben und Sie sich vorstellen können, einem Pflegekind ein neues zuhause zu geben,
nehmen Sie Kontakt mit uns auf. Schreiben Sie uns eine E-Mail: bewerbung@lebensraeume-fh.de
Danach vereinbaren wir einen unverbindlichen Telefontermin. Hier stehen wir Ihnen für alle individuellen Fragen zur Verfügung.

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